851-0297-00L  Manipulation. Über Steuerungstechniken in Literatur und Kulturgeschichte

SemesterFrühjahrssemester 2023
DozierendeS. S. Leuenberger
Periodizitäteinmalige Veranstaltung
LehrspracheDeutsch



Lehrveranstaltungen

NummerTitelUmfangDozierende
851-0297-00 VManipulation. Über Steuerungstechniken in Literatur und Kulturgeschichte2 Std.
Do12:15-14:00HG D 1.1 »
23.02.12:15-14:00IFW A 36 »
S. S. Leuenberger

Katalogdaten

KurzbeschreibungSeit der Antike wird die Tendenz des Menschen zu manipulativem Handeln literarisch und diskursiv reflektiert. Deutlich wird: Medientechnologische Entwicklungen tragen wesentlich dazu bei, dass sich die Reichweite der Manipulation mit der Zeit auf ein Massenpublikum ausdehnt. Die Lehrveranstaltung widmet sich der Frage, welche Folgen dies für Wissenschaft und Demokratieverständnis haben kann.
LernzielDie Vorlesung vermittelt erstens einen Überblick über den Diskurs der Manipulation: Dieser beginnt in der Antike bei Ovid und den Sophisten und formiert sich neu unter politischen und psychologischen Vorzeichen bei Giordano Bruno und Niccolò Machiavelli. Intensiv literarisch verhandelt wird das Thema angesichts von Entwicklungen in Naturwissenschaften und Medizin (Mesmerismus) und ersten Studien zur Massenpsychologie um 1900. In der Gegenwart stellen die Social Media als „Radikalisierungsmaschinen“ (J. Ebner) die Gesellschaft vor neue Herausforderungen.
In der Veranstaltung wird zweitens der Zusammenhang zwischen medientechnologischen Entwicklungen, die zur beschleunigten Verbreitung manipulierter Informationen führen, und der Infragestellung von Wissenschaft und Demokratie reflektiert.
Drittens erweitern die Studierenden durch die Analyse und Diskussion literarischer und wissenschaftlicher Texte aus verschiedenen Disziplinen ihre interdisziplinären Kompetenzen.
InhaltDer Mensch ist ein manipulatives Wesen: Angetrieben wird er dabei vom Wunsch nach Selbsterhaltung, Lustgewinn und Macht. Manipulation ist ein sprachliches und narratives Phänomen. In der Antike entsteht die Rhetorik als verbale Überzeugungskunst: Sie wird angewandt im Privaten, als werbende Liebesrede, und öffentlich, vor Gericht, im Wahlkampf, vor Kriegsbeginn. Bereits hier weiss der Rhetor, dass eine überzeugende Rede Narrative enthält, die mythische Motive wie etwa den Entscheidungskampf zwischen Gut und Böse aufnehmen.
Die Reichweite der Manipulation dehnt sich seit der Frühen Neuzeit von Individuen und überschaubaren Gruppen auf ein Massenpublikum aus. Dabei ist die Distribution und Wirkung von Manipulation wesentlich abhängig von medientechnologischen Entwicklungen. Schon die Printmedien sind häufig werbefinanziert und wollen möglichst viele Leser erreichen, was zu Simplifizierungen und schiefer Gewichtung bei der Auswahl des Berichteten führt und die Meinungsbildung beeinflusst. Mit den digitalen Medien und personalisierten online-Inhalten kommt es zu „individuellen Filterkammern“ mit „verstärkenden Echokammern“ (Götz/Hespers). Fake News und Verschwörungstheorien verbreiten sich hier besonders gut. Dabei verliert das transportierte Narrativ an Bedeutung, kann sogar für Aussenstehende völlig absurd erscheinen, wie der Fall QAnon zeigt. Wichtig wird zunehmend, wie das Narrativ eingerahmt, inszeniert und medientechnisch verbreitet wird.
Die Reflexion über diese Zusammenhänge ist für Wissenschaftler aller Disziplinen von grosser Bedeutung: Einschneidende Veränderungen durch die Digitalisierung, durch Entwicklungen im Bereich von Mobilfunktechnik, künstlicher Intelligenz und Biotechnologie sowie die Verbreitung neuer Krankheiten durch technisch beschleunigte Mobilität verunsichern viele Menschen. Dass diese Entwicklungen unaufhaltbar sind, ruft Angst hervor. Der Vertrauensverlust gegenüber demokratisch gewählten politischen Vertretern gibt populistischen Strömungen Aufwind und die Empfänglichkeit für komplexitätsreduzierende Angebote nimmt zu. Den etablierten Medien wird zunehmend misstraut, sie werden als Sprachrohr der verhassten Elite angesehen, wie der Begriff „Lügenpresse“ zeigt. Die Bereitschaft steigt, Fake News Glauben zu schenken. Verschwörungstheorien bieten Orientierung, entfernen ihre Anhänger aber zunehmend von der Realität. Mit dem Begriff „postfaktische“ Epoche sei wohl die Verweigerung gegenüber Fakten und die Tendenz gemeint, „allein den Gefühlen“ zu folgen, so die Naturwissenschaftlerin Angela Merkel 2016. Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit werden zunehmend abgelehnt, dagegen findet das Aussprechen der ,gefühlten Wahrheit’ Anklang. Dies kann letztlich zum Legitimitätsverlust der Wissenschaft wie auch der demokratischen Strukturen führen. Als Wissenschaftler und Staatsbürger muss man sich Gedanken darüber machen, wie der Infragestellung der Legitimität dieser beiden Bereiche entgegenzuwirken ist.

Leistungskontrolle

Information zur Leistungskontrolle (gültig bis die Lerneinheit neu gelesen wird)
Leistungskontrolle als Semesterkurs
ECTS Kreditpunkte3 KP
PrüfendeS. S. Leuenberger
Formbenotete Semesterleistung
PrüfungsspracheDeutsch
RepetitionRepetition ohne erneute Belegung der Lerneinheit möglich.

Lernmaterialien

Keine öffentlichen Lernmaterialien verfügbar.
Es werden nur die öffentlichen Lernmaterialien aufgeführt.

Gruppen

Keine Informationen zu Gruppen vorhanden.

Einschränkungen

Keine zusätzlichen Belegungseinschränkungen vorhanden.

Angeboten in

StudiengangBereichTyp
Doktorat Geistes-, Sozial- und StaatswissenschaftenVertiefung FachwissenWInformation
Geschichte und Philosophie des Wissens MasterVorlesungen und Vorlesungen mit ÜbungenWInformation
Wissenschaft im Kontext (Science in Perspective)GeschichteWInformation
Wissenschaft im Kontext (Science in Perspective)LiteraturWInformation